Sturmgläser stehen oder hängen heutzutage in vielen Haushalten herum, mehr als Schmuckstück statt als Messgerät.
Wie funktionieren sie, wofür waren sie gedacht und was kann man mit ihnen anfangen?
[Veröffentlicht am 04.12.2016]
Das FitzRoy-Sturmglas
Ein Sturmglas (auch FitzRoy-Sturmglas oder Campherglas genannt) ist eine hermetisch abgeschlossene Glasröhre gefüllt mit einer Lösung aus Wasser, Ethanol, Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid. Es wird vermutet, dass sich in der Flüssigkeit je nach Wetterlage Kristallstrukturen ausbilden oder wieder auflösen.
Mitte des 19. Jahrhunderts charakterisierten Admiral Robert FitzRoy und Charles Darwin verschiedene Erscheinungsformen, die Rückschlüsse auf das zu erwartende Wetter der nächsten 24 bis 36 Stunden erlauben sollten:
- Eine klare Flüssigkeit im Glas bedeutet sonniges und klares Wetter.
- Flocken in der Flüssigkeit deuten auf Bewölkung und möglicherweise Regen hin.
- Schweben kleine Flöckchen in der Flüssigkeit, kündigt sich feuchtes, nebeliges Wetter an.
- Trübe Flüssigkeit deutet auf Gewitter hin.
- Im Winter bedeuten kleine Sternchen in der Flüssigkeit aufkommenden Schneefall.
- Viele große Flocken in der Flüssigkeit deutet auf starke Bewölkung hin, im Winter Schneefall.
- Viel Kristalle auf dem Boden deuten auf Frost hin.
- Kristalle an der Oberfläche deuten auf Sturm hin.
Vor allem Stürme und Schlechtwetterfronten sollen sich durch entsprechende Kristallbildung im Sturmglas ankündigen. Daher rührt auch der Name des Messinstruments.
Erforschung der Funktionsweise
Zur Erforschung der Funktionsweise des Sturmglases wurden täglich drei Messzeitpunkte gewählt: morgens, mittags und abends. Parallel dazu wurde stets eine am gleichen Ort installierte Wetterstation betrieben, die meteorologische Messwerte erfasste. Ebenso wurden die räumlichen Umgebungsbedingungen erfasst, um auch deren Einfluss feststellen zu können.
Die Messungen wurden seit dem 07.07.2008 bei Raumtemperatur durchgeführt. Wichtig war hierbei, dass die Umgebungstemperatur möglichst geringen Temperaturschwankungen unterlag, da die Wärme in der näheren Umgebung nachweislich einen großen Einfluss auf die Kristallbildung im Sturmglas hat. Dies hatten bereits auch mehrere Forschungsinstitute gefolgert.
Im Rahmen der Forschung galt es herauszufinden, ob die von FitzRoy und Darwin festgestellten 8 Erscheinungs-formen (siehe oben) nachgewiesen werden können.
- Lassen sich die verschiedenen Erscheinungsformen auf den Einfluss des Wetters, vor allem auf Stürme zurückführen?
- Ermöglichen die definierten Veränderungen eine Vorhersage für die kommenden 24 bis 36 Stunden?
Bevor eine genauere Analyse der Erscheinungsformen erforscht werden sollte, wurde ein Sturmglas zuerst unter verschiedenen Bedingungen getestet, die den Einfluss der Umgebungstemperatur feststellen sollten:
- Messung bei schwach wechselnder Raumtemperatur
- Messung bei absolut konstanter Umgebungstemperatur
- Messung am Fenster
Forschungsergebnisse
Fall A: Aufgrund dessen, dass die Flüssigkeit in Sturmgläsern nachgewiesenermaßen sehr leicht dazu tendiert, Kristalle auszubilden oder sie wieder aufzulösen, wenn sich die Temperatur in der näheren Umgebung entsprechend verändert, wurde versucht, für die Umgebungstemperatur nur geringe Änderungen zuzulassen. Die Messungen wurden bereits über mehr als 8 Jahre unter diesen Bedingungen durchgeführt.
Ein Vergleich der Sturmglas-Erscheinungen mit der Außen- und Innentemperatur zeigte, dass sich bei abnehmenden Temperaturen Kristalle bildeten und sich diese wieder auflösten, wenn es wärmer wurde. Da die Innen- und Außentemperaturen nicht immer synchron verliefen, war zu erkennen, dass es mehr Differenzen zwischen den Sturmglasmessungen und den Außentemperaturen gab als in Bezug auf die Innentemperaturen. Daher lag bereits der Verdacht nahe, dass die direkte Umgebungstemperatur einen größeren Einfluss auf die Kristallbildung hatte.
Wettererscheinungen wie Kaltfronten, Warmfronten und Stürme gehen grundsätzlich mit einer Temperaturänderung einher. Regen, Schnee und Gewitter sind durch die zuvor genannten Wettererscheinungen bedingt und somit auch auf Temperaturschankungen zurückzuführen. Allem Anschein nach ist die Temperatur also der maßgebliche Einfluss, der von der Außentemperatur auf die Innentemperatur und somit die unmittelbare Umgebungstemperatur des Sturmglases übergeht.
Luftdruckschwankungen, die je nach Jahreszeit synchron oder asynchron zum Temperaturverlauf stattfinden, haben nur einen scheinbaren Einfluss. Die Temperaturschwankungen sind hier wiederum entscheidend. Außerdem ist die Glasröhre des Sturmglases luftdicht verschlossen und somit die darin enthaltene Flüssigkeit nur äußerst geringen Druckschwankungen ausgesetzt. Diese sind so gering, dass sie vernachlässigbar sind, wie der Test im Fall B zeigen wird.
Fall B: Damit der Einfluss der Umgebungstemperatur minimiert werden konnte, wurde das Sturmglas in einem Gefäß eingeschlossen und dadurch die Temperatur absolut konstant gehalten. Auf diese Weise sollte festgestellt werden, auf welche Einflüsse nun das Sturmglas reagiert.
Wie sich im Test von Fall A zeigte, konnten bereits Temperaturschwankungen von 1 bis 2 Grad zu großen Veränderungen bei der Kristallbildung führen. Durch die konstante Umgebungstemperatur war dieser Einfluss nun unterbunden und die Reaktivität des Sturmglases lag trotz dynamischer Wetterverhältnisse bei Null. Sogar zwei durchziehende Stürme, deren Zentren über die Messstation hinwegzogen und dabei Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometer pro Stunde erzeugten, führten im Sturmglas zu keinerlei Veränderungen. Bei den Bedingungen im Fall A hätten sich wie üblich durch die leichten Temperaturschwankungen Veränderungen in den Kristallstrukturen ergeben.
Die konstante Umgebungstemperatur verhindert daher die Reaktionsfähigkeit des Sturmglases. Dies lässt den Schluss zu, dass einzig Temperaturveränderungen mindestens in der direkten Umgebung des Aufstellungsortes für die Kristallbildung und -auflösung ausschlaggebend sind.
Fall C: Aufgrund einiger Diskussionen mit Sturmglas-Benutzern wurde folgende Situation gestestet: Das Sturmglas steht in einem Raum am Fenster und die Raumtemperatur wird konstant gehalten. Die Aussage eines Anwenders war, dass das Gemäuer die Reaktionsfähigkeit des Sturmglases deutlich einschränken kann, vor allem bei Stahlbetonbauten, weshalb die Messung am Fenster sinnvoller ist.
In den vorangegangenen und über 8 Jahre dauernden Messungen konnte kein Unterschied zwischen Stahlbeton-wänden und einfachem Mauerwerk aus Stein festgestellt werden. Die Einschränkungen durch massive Wände war damit nicht nachweisbar oder aber nicht signifikant.
Bei dem Test wurde nun das Sturmglas am Fenster positioniert und abgeschattet. Die gleichzeitig erfasste Raumtemperatur wurde nahezu konstant gehalten und somit Temperaturschwankungen minimiert. Das Sturmglas reagierte dennoch auf Veränderungen der Außentemperatur, da die Temperatur so dicht am Fenster tageszeitlichen Schwankungen unterlag. Wenn auch hierbei nur kurzzeitig 1 bis 2 Grad festgestellt wurden, so hatten diese einen direkten Einfluss auf die Kristallbildung. Die draußen stattfindenden Wettererscheinungen hätten nach den oben angegebenen 8 Punkten einen anderen, länger wirkenden Einfluss haben müssen. Es gab jedoch nur Veränderungen im Rahmen der täglich stattfindenden Bestrahlung des Fensters und der nächtlichen Abkühlung am Fensterglas.
Im nächsten Schritt wurde die Abschattung aufgehoben. Das Sturmglas war nun der Sonneneinstrahlung vollständig ausgesetzt. Trotz konstant gehaltener Raumtemperatur und den weiterhin vorhandenen leichten Temperaturschwankungen infolge der von der Tageszeit abhängingen Bestrahlung durch die Sonne, wurden die Reaktionen im Sturmglas intensiver. Die einzige Änderung am Versuchsaufbau war, dass die Sonne nun die Flüssigkeit im Sturmglas erwärmen konnte. Dies führte analog zu diesem Umstand zur teilweisen Auflösung der Kristalle. Während der Nacht konnte aufgrund der fehlenden Sonneneinstrahlung und einer Abkühlung der fensternahen Luftschichten eine deutlich stärker ausgeprägte Bildung von Kristallen nachgewiesen werden.
Die Sonneneinstrahlung wirkt somit nachweislich erwärmend auf die Flüssigkeit im Sturmglas. Auch wenn die Raumtemperatur konstant gehalten werden kann, ist dieser Einfluss maßgeblich für die Veränderungen der Kristallstrukturen verantwortlich.
Zusammenfassung
Umfangreiche Forschungen konnten bisher keinen direkten Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wettererscheinungen und der Kristallbildung feststellen. Lediglich in Bezug auf die Temperatur gibt es eine hohe Empfindlichkeit, die für das Bilden und Auflösen der Kristalle entscheidend ist.
Neben der Temperatur kann auch die Sonneneinstrahlung gleichermaßen wirksam sein, wobei auch Fenster aufgrund der gegenüber Wänden deutlich schlechteren Isolation für Temperaturschwankungen im unmittelbaren Umfeld sorgen und somit den gleichen Effekt haben.
Lassen sich die verschiedenen Erscheinungsformen auf den Einfluss des Wetters, vor allem auf Stürme zurückführen?
Hier gibt es nach aktuellem Forschungsstand ein klares Nein. Alle Wettererscheinungen produzieren einen für sie charakteristischen Temperaturverlauf. Nur dieser wirkt auf das Sturmglas. Eine scheinbare Korrelation mit Stürmen ergibt sich nur über die mit dem Ereignis einhergehenden Temperaturschwankungen. Alle oben aufgezählten 8 Erscheinungsformen gehen auf Temperatureffekte zurück, die je nach Temperaturniveau in ihrer Erscheinung etwas anders ausfallen. Werden Temperaturveränderungen absolut unterbunden, findet im Sturmglas keine Reaktion mehr statt.
Ermöglichen die definierten Veränderungen eine Vorhersage für die kommenden 24 bis 36 Stunden?
Aus der Beantwortung der ersten Frage ergibt sich, dass das Sturmglas nur auf die aktuellen Bedingungen reagiert und somit keine Möglichkeit besteht, daraus direkt auf die Witterung der nächsten 24 bis 36 Stunden zu schließen. Wer entsprechende meteorologische Kenntnisse besitzt, kann auch ohne ein Sturmglas aus den aktuellen Temperaturveränderungen auf das kommende Wetter blicken. Vor allem, wenn der einfach zu messende Verlauf des Luftdrucks hinzugezogen wird.
Was haben FitzRoy und Darwin gemessen?
Die oben erklärte, einfache Wirkungsweise ruft verständlicherweise Kritiker auf den Plan. Zum einen müsse aufgrund der damals weit verbreiteten Akzeptanz von Sturmgläsern diese auf einer tatsächlich möglichen Nutzbarkeit beruhen. Zum anderen werden sogenannte Sferics als Erklärung herangezogen. Gerade der Einfluss letzterer ist von Wissenschaftlern bisher nicht nachgewiesen worden.
Tatsache ist, dass es zu Zeiten von FitzRoy und Darwin zwar mit Sicherheit beheizbare Räumlichkeiten gab, diese aber mit gleicher Sicherheit nicht konstant beheizt waren. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Räume, in denen Sturmgläser zur Wetterbeobachtung genutzt wurden, derart beheizt wurden, dass die Temperatur konstant war und auch die Fenster derart dicht waren, dass Temperaturschwankungen ausgeschlossen werden konnten, liegt nahezu bei Null. Demzufolge gab es in der Umgebung von Sturmgläsern Temperaturschwankungen, die dem draußen einhergehenden Wetter zwangsläufig folgten und damit eine Reaktion in den Sturmgläsern auslösten.
Betrachtet man den Kapitän eines Segelschiffes auf der Fahrt über den Nordatlantik oder den Bewohner des Küstenbereichs:
Die See wird rauer und im Sturmglas bilden sich kräftig Kristalle aus. Ein Zeichen dafür, dass ein Sturm aufzieht und sehr wahrscheinlich in den nächsten 24 Stunden einige Aufmerksamkeit erfordert. Der Sturm hat jedoch mit seinen Luftdruckveränderungen und zunehmenden Windgeschwindigkeiten darauf keinen Einfluss. Tatsache ist hingegen, dass ein aufziehender Sturm mit seiner herannahenden Kaltfront einen Luftdruckanstieg und vor allem ein Absinken der Temperatur auslöst. Letztere Erscheinung löst schließlich die Kristallbildung aus.
Letzten Endes hat jedoch das Sturmglas in diesem Falle die Menschen vor einem Sturm gewarnt und möglicherweise Schlimmeres verhindert.